...über Möglichkeiten der Haftvermeidung
Für angeklagte oder verurteilte Personen gibt es zum Teil Alternativen zur Freiheitsstrafe, die im Weiteren erläutert werden.
Ableistung gemeinütziger Arbeit
Wird eine Person zu einer Geldstrafe verurteilt, gibt es mehrere Möglichkeiten die Strafe abzuleisten. Das Geld wird vollständig und wie vereinbart (in Raten) bezahlt. Die Person geht ins Gefängnis ‚Ersatzfreiheitsstrafe‘ oder die Person wandelt die Geldstrafe in gemeinnützige Arbeitsstunden um.
Die Umwandlung der Geldstrafe in Arbeitsstunden steht insbesondere Personen zur Verfügung, die über geringe finanzielle Mittel verfügen.
Die gemeinnützige Arbeit wird also nicht automatisch angeordnet, sondern muss von der verurteilten Person beantragt werden. Der Antrag zur Umwandlung der Geldstrafe in gemeinnützige Arbeit muss bei der zuständigen Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft) gestellt werden.
In der Verurteilung legt das Gericht die Höhe der Geldstrafe fest. Gleichzeitig werden die Tagessatz(an)zahl und die Tagessatzhöhe festgelegt. Die Tagessatzzahl ist abhängig vom Delikt und die Tagessatzhöhe vom Nettoeinkommen der verurteilten Person.
Ein Tagessatz entspricht 8 Stunden Arbeit, also 1 Tag Arbeit. Es gilt 1 Tagessatz = 1 Arbeitstag.
Sollte die Person beispielsweise aufgrund gesundheitlicher Probleme nur 6 Stunden am Tag arbeiten dürfen, verlängert sich die Anzahl der Arbeitstage.
Ein Rechenbeispiel:
Verurteilung zu 100 Tagessätzen
Bei einem 8Stunden-Tag: 100 Tagessätze = 100 Tage Arbeit
Bei einem 6Stunden-Tag: 100 Tagessätze = 175 Tage Arbeit
Gemeinnützige Arbeit kann jede Tätigkeit für die Allgemeinheit sein, z.B. Pflege und Reparatur von Grünanlagen, Kinderspielplätzen oder Friedhöfen; Reinigungs- und Hilfsarbeiten in einer Sozialstation oder einem Krankenhaus; Hilfsarbeiten bei einem Heimat- oder Sportverein und so weiter.
Das Ziel der gemeinnützigen Arbeit ist die symbolische Wiedergutmachung, also eine Arbeit für die Gemeinschaft.
Die Vermittlung und Überwachung der gemeinnützigen Arbeit können unterschiedliche Stellen übernehmen.
Will man eine Geldstrafe umwandeln, muss ein Antrag gestellt werden und eine Einsatzstelle gefunden werden, bei der man die Arbeit ableisten kann. Dies kann man eigenständig machen und/oder sich Unterstützung bei einem Verein der Freien Straffälligenhilfe (Projekt ZEBRA) holen. Ansprechpersonen könnt ihr hier finden!
Die Ableistung gemeinnütziger Arbeit kann auch eine Auflage vom Gericht sein. Ist dies der Fall übernimmt die Vermittlung und Überwachung in der Regel die Bewährungs- oder Gerichtshilfe. In den meisten Fällen wird die Vermittlung an die Freie Straffälligenhilfe (Projekt ZEBRA) abgegeben.
bei Jugendlichen und Heranwachsenden nach Jugendgerichtsgesetz
Anders als bei Erwachsenen kann bei Jugendlichen direkt eine gemeinnützige Arbeit anstatt einer Strafe verlangt werden.
Dies kann bei der Einstellung des Strafverfahrens oder als Auflage bei einer Verurteilung erfolgen (§§ 10,15, 45, 47 Jugendgerichtsgesetz)
Die Vermittlung und Überwachung der gemeinnützigen Arbeit werden bei jugendlichen Personen in der Regel von den zuständigen Jugendämtern übernommen.
Das Ziel ist, die Jugendlichen bei ihrer beruflichen Orientierung zu unterstützen, ihnen soziale Fähigkeiten zu vermitteln und sie in Arbeit bzw. Ausbildung zu integrieren.
Täter-Opfer-Ausgleich (TOA)
Der Täter-Opfer-Ausgleich ist nicht als Alternative zu einer Verurteilung gedacht, sondern als ein außergerichtliches Strafverfahren, das sowohl die Opferperspektive als auch die Täterperspektive berücksichtigt.
Beim Täter-Opfer-Ausgleich geht es hauptsächlich um eine Wiedergutmachungsleistung des Täters oder der Täterin gegenüber der zu Schaden gekommenden Person.
Setzen sich Täterinnen und Täter bewusst mit Ihrer Straftat und den individuellen Tatfolgen (Opferperspektive) im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs auseinander, kann der erfolgreich geschlichtete Täter-Opfer-Ausgleich als strafmildernd berücksichtigt werden.
Wird der TOA von den beteiligten Personen als erfolgreich gewertet, kann es dazu kommen, dass Haftstrafen gegebenenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden oder Ermittlungsverfahren (vor Anklageerhebung) eingestellt werden. Immer abhängig von Deliktart und vom zu erwarteten Strafmaß.
Hier findest du mehr Informationen zum Täter-Opfer-Ausgleich.
Antrag auf Haftaufschub
Eine verurteilte Person kann einen Antrag auf Haftaufschub stellen, wenn durch die sofortige Inhaftierung erhebliche Nachteile für sie oder ihre Familien entstehen.
Grund für einen Haftaufschub könnte beispielsweise eine schwere psychische oder körperliche Krankheit sein, wenn die medizinische Behandlung nicht in der Haft erfolgen kann (Haftunfähigkeit)
Die Vollstreckungsbehörde braucht amtsärztliche Stellungnahmen und Gutachten, um die Einzelheiten des Gesundheitszustands nachvollziehen zu können.
Im Fall einer Schwangerschaft der verurteilten Person liegt der Haftaufschub im Ermessen der Vollstreckungsbehörde.
Der Haftaufschub darf die Zeit von 4 Monaten nicht überschreiten.
Wenn die Vollstreckungsbehörde den Antrag auf Haftaufschub ablehnt, kann die verurteilte Person Einwand beim Gericht erheben (§458 Strafprozessordnung). Gegen die Entscheidung ist eine sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht vor Vollstreckungsbeginn möglich.
Gnadenantrag
Ein Gnadengesuch wird an die Gnadenstelle gerichtet. Dabei gibt es zwei Arten der Begnadigung.
Die Freiheitsstrafe wird auf eine Bewährung abgemildert.
Die Begnadigung kann eine gänzliche oder teilweise Erlassung der Freiheitsstrafe bewirken.
Die Gnadenstelle, die über ein Gnadengesuch entscheidet, ist nicht an die Vorschriften des Gesetzes gebunden, im Gegensatz zum Gericht.
Bei einer Begnadigung geht es darum, Rechtsnachteile nach einer rechtmäßigen Verurteilung zu beseitigen. Dabei ist das Gnadengesuch das letzte Rechtsmittel und kann erst beantragt werden, wenn vorher alle anderen Rechtsmittel ausgeschöpft sind (z.B. ein Antrag auf Aussetzung des Strafrestes). Die Erfolgsaussichten sind eher gering und gehören eher zu den Ausnahmefällen.
Eine Begnadigung ist eine Ermessensentscheidung und abhängig vom konkreten Einzelfall.
Ihre Funktion ist es, Gerechtigkeit zu üben, wenn Recht und Gesetz das nicht können. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn bestimmte persönliche Umstände juristisch nicht entsprechend berücksichtig werden können.
Es gibt allerdings keinen Rechtsanspruch auf Gnade.
Geregelt ist diese in der Gnadenordnung und jede verurteilte Person kann einen Antrag auf Begnadigung stellen.
Die Gnadenordnung regelt den Ablauf des Verfahrens und ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Die Art der Strafe spielt dabei keine Rolle. Die Begnadigung wird aber hauptsächlich bei Freiheitsstrafen angestrebt.
Es wird geraten, sich vor der Antragstellung juristisch von einem Anwalt oder einer Anwältin beraten zu lassen. Die Vereine der Freien Straffälligenhilfe können unter Umständen auch helfen.
Der Antrag auf Begnadigung und das Verfahren sind kostenlos.
Dabei sind keine Formvorschriften beim Antrag einzuhalten, es gibt aber Musterbriefe im Internet. Es wird empfohlen, den Brief mit juristischer Unterstützung von einer Anwältin oder einem Anwalt zu schreiben.
Das Verfahren dauert ungefähr 2 bis 4 Monate.
Der Gnadenantrag bewirkt eine Vollstreckungshemmung, das bedeutet, dass auch bei einer Ablehnung ein Haftaufschub von 2 bis 6 Monaten erreicht werden kann.
Die Aussicht auf Gnade besteht beispielsweise
bei schwerwiegender Erkrankung,
erfolgter Wiedergutmachung des Schadens,
Therapie statt Strafe
und andere Umstände.
Zum Nachlesen (Quellen)
Bernd-Dieter Meier (2009): Strafrechtliche Sanktionen. Springer-Verlag. Berlin, Heidelberg